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B.Sc. Klinische Pflege, ein Streitgespräch

 

Von Ben Ruppert und Julian Potthoff

Kommentiert von Severin Krüger, Vorsitzender der Jugend-und Auszubildendenvertretung Uniklinik Köln


Zum Wintersemester 17/18 wird die Universität zu Köln  in Kooperation mit der Uniklinik Köln einen neuen Studiengang anbieten. Der angestrebte Abschluss lautet „Bachelor of Science (B.Sc.) klinische Pflege“

 

Bild: MedizinFotoKöln

Das Besondere daran ist, dass es sich um ein duales Studium handeln wird. In das vierjährige Hochschulstudium werden neben den akademischen Inhalten also auch die Inhalte der Berufsausbildung zum/ zur examinierten Gesundheits- & Krankenpfleger*in integriert.

 

Nach drei Jahren erhält man somit das Krankenpflegeexamen und nach einem weiteren Jahr erfolgen jene Prüfungen an der Universität, die zum Bachelor of Science im Fach klinische Pflege führen. Das Curriculum sieht vor, dass die gesamte Ausbildung von Vorlesungen begleitet wird.

Als Juso HSG haben wir uns eingehend mit der Thematik beschäftigt und zwei Personen haben ein Für und wider verfasst.

Es ist richtig, so Julian, der an der Universität zu Köln Medizin studiert und vorher eine Ausbildung zum Krankenpfleger absolviert hat.

Das ist falsch, sagt Ben. Ben studiert im Master Politikwissenschaften.

Julian:

Mit diesem neuen Studiengang folgt die Universität zu Köln einer generellen Entwicklung, die in Deutschland zu beobachten ist. Im Vergleich zu unseren Nachbarländern ist die deutsche Pflegeausbildung deutlich minderwertiger. Pflegende in Polen oder Großbritannien beispielsweise haben wesentlich mehr Kompetenzen. Die Schaffung einer Ausbildungsmöglichkeit, die Pflegekräfte weitgehender qualifiziert ist also längst überfällig und die Idee keineswegs neu.

Die sich aufdrängende Frage nach Einsatzmöglichkeiten nach dem Studium beantwortet die medizinische Fakultät wie folgt:

Da der Einsatz hochschulisch ausgebildeter Pflegefachpersonen in der Praxis noch ein Novum in Deutschland (nicht aber im angrenzenden Ausland) darstellt, werden sich die Absolventinnen und Absolventen aktiv in die Entwicklung neuer Tätigkeitsprofile einbringen wollen.

Diese Angabe ist sehr ehrlich! In der Tat fehlen gut bezahle Stellen jenseits der herkömmlichen Einsatzbereiche auf Pflegestationen oder im ambulanten Pflegebereich. Nichtsdestotrotz halte ich die Schaffung eines solchen Ausbildungsangebots für den richtigen Schritt.

Der Pflegesektor steht vor grundlegenden Veränderungen und Herausforderungen. Der demographische Wandel wird in Zukunft für einen signifikanten Anstieg derjenigen sorgen, die Pflege benötigen. Diese Entwicklung fordert neue Wege! Den Bedarf wird es geben.

Hierzu Severin Krüger: Den Bedarf gibt es jetzt schon, laut einer Studie von Ver.di fehlen 142.000 Stellen im deutschen Gesundheitssystem.“

Dieser Studiengang bietet all jenen eine Perspektive, die sich in der Pflege weiterqualifizieren möchten. Es ist ein weiterer Schritt in Richtung Professionalisierung. Die Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten in der Pflege sind gegeben, diese sind jedoch selten mit einer angemessenen Lohnentwicklung verbunden. Die tiefgreifende akademische Qualifikation sollte auch zu einer deutlich besseren Bezahlung führen.

 

Ben:

Zuerst möchte ich sagen, dass ich absolut nicht gegen eine Verbesserung der Pflege bin, aber die Problemlage ein wenig anders sehe. Meines Erachtens fehlt es in Deutschland dem Pflegesystem vor Allem an fairer Bezahlung und ausgebildetem Personal, dies impliziert allerdings für mich Basiskräfte und nicht, wie hier vorgesehen „Pflegespitzenkräfte“. So ist der Pflegeschlüssel in einem so reichen Land wie Deutschland eigentlich nicht tragbar. Das die Realität leider anders aussieht, kann man an der Zeitrechnung für eine/n Krankenpfleger*in sehen. Die Zeiten pro Patient*in sind wirklich verschwindend gering. Deshalb plädiere ich vorerst dafür die grundlegende Pflegeausbildung und natürlich daran anknüpfend die Bezahlung attraktiver zu machen. Mit einer besseren Bezahlung wird der Beruf wieder für mehr Menschen attraktiver, da er dann auch für mehr Männer (im Sinne des oft vorhandenen Selbstbild von Männern, dass man der Familienernährer ist) in Frage kommt, die manchmal den Pflegeberuf aufgrund der zu geringen Bezahlung kategorisch ausschließen.

Julian:

Um genug „Basispersonal“ rekrutieren zu können, braucht es aber eine Perspektive. Junge Absolventen nach der Schule sehen sich ihren künftigen Beruf sehr genau an. Mir hat eine solche Perspektive im Pflegeberuf gefehlt. Ich habe mir einen akademischen Studiengang gewünscht und unter Umständen hätte ich mich nicht für ein Studium der Medizin entschieden.

Außerdem möchte ich argumentieren dass eine weitere Professionalisierung und die damit einhergehende Akademisierung zu einer besseren Bezahlung führen wird.  (Das stimmt so nicht, viele akademische Pflegekräfte arbeiten mit der gleichen Bezahlung wie „normal“ ausgebildete Pflegekräfte, die Entgeltordnung des TV-L  sowie des TVöd sehen momentan noch keine Verbesserung vor)

Für mich funktioniert das System nur andersherum! Viele Politiker*innen haben schon versprochen die Bezahlung für Pflegekräfte zu verbessern, geschehen ist es nicht! Die Bezahlung der Pflegekräfte richtet sich momentan nach Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes, wie TVL oder TV öD. Vereinfacht gesagt verdient eine Pflegefachkraft also etwa so viel, wie ein Angesteller der Müllabfuhr. Diese Entlohnung spiegelt jedoch nicht im mindesten die hohen theoretischen Anforderungen oder die direkte Verantwortung dem Patienten gegenüber wieder. Der von dir angesprochene Zeitmangel und die hohe psychische Belastung seinen hier nur am Rande erwähnt.

Es muss zu einer grundlegenden Neubewertung der Pflege in unserer Gesellschaft kommen, da das traditionelle Bild nicht mehr zutrifft!

 

Ben:

Ich sehe in dem  Vorstoß der Uniklinik und Universität zu Köln einen weiteren Schritt in die Richtung, alles effizienter durch zu takten. Der Gesundheitsbereich und Kliniken insbesondere, unterliegen immer einer Gewinnabsicht und werden dementsprechend auch oft von Optimierer*innen geführt (oft sind dies im klassischen Sinne Medizin-/Gesundheitsökonom*innen) und legen so Parameter an Behandlungen an, die eigentlich als grundlegend falsch angesehen werden müssten, egal welcher politischem Spektrum man sich selbst zugehörig fühlt. Nun weiß ich auch, dass wir uns nicht im Märchen-Wunderland befinden und man nicht zwingend direkt die Revolution denken kann und darf. Allerdings sind die Betreuungsschlüssel zum Teil dermaßen ausufernd, dass man hier nicht von einer Gleichberechtigung in der Pflege von allen Menschen sprechen kann. Dies bedeutet nicht zwingend privat vs Kassenpatient*innen, sondern auch oft West vs. Ost und Ballungsraum vs. ländlicher Bereich.

Zudem möchte ich eine weitere grundlegende Kritik an dem Studiengang anbringen. Es handelt sich bei diesem Studiengang um einen dualen Studiengang, der nach dem Hochschulzukunftsgesetz (HZG), sprich Teilzeitstudiengang, zwar gefördert werden soll allerdings weiß ich nicht ob sich die Verfasser*innen des Gesetzes darunter diesen Studiengang vorstellten. Der Studiengang greift auf mehreren Ebenen das bestehende System an. Zuerst ist die Medizin mit dem Staatsexamen einer der wenigen Bereiche der nicht in das Bachelor/Master System überführt wurde. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, vermag ich nicht zu bewerten, wird wahrscheinlich so gut wie kaum eine Person bewerten können. Das dürfte, so weit ich die Universität zu Köln überblicken kann, zudem der erste duale Studiengang sein. Dies bricht etwas die Struktur auf, dass duale Studiengänge bisher vor allem durch Fachhochschulen angeboten wurden und in reinen Universitätsstrukturen kaum bis gar nicht angeboten wurden.

Mein größter Kritikpunkt ist allerdings, dass damit ein weiterer „wertvoller/effizienter“ Studiengang entsteht (wertvoll im Sinne der wirtschaftlichen Verwertbarkeit, bzw. dem unmittelbaren Nutzen die ein Wirtschaftssystem aus einem Studiengang ziehen kann). Gerade eher starre Studiengänge wie z.b. Germanistik/Anglistik können kein duales System anbieten und könnten so noch mehr in den Hintergrund rücken. Ich sehe die Gefahr, dass andere Fakultäten auf die Idee kommen könnten ebenso duale Studiengänge an zu bieten. Es verwischt zudem noch mehr die jahrelange Arbeitsteilung von Fachhochschulen und Universitäten, nachdem Universitäten theoretischere Studiengänge anbieten und Fachhochschulen eher praktische Studiengänge übernehmen. Das dies in dem medizinischen Bereich wegen einer engen Verzahnung sinnvoll sein kann, dies auch als Universität an zu bieten ist durchaus ein Argument. Ich sehe allerdings Probleme bezüglich der Signalwirkung, die von so einem Studiengang ausgeht.

Julian dazu:

Die professionelle Krankenpflege kann und sollte auf klassische Studiengänge keine Rücksicht nehmen! Außerdem möchte ich dir hier widersprechen: Ich denke nicht, dass der neue Studiengang eine Konkurrenz zu den von dir genannten Studiengängen darstellen kann. Die Zielgruppe sind klar jene, die sich für Pflege interessieren und nicht solche, die mit einem Germanistikstudium liebäugeln.

Dass der Studiengang an der medizinischen Fakultät und somit an einer Universität angesiedelt ist freut mich. Zum einen denke ich, dass meine Kommiliton*innen und ich durchaus von einer interdisziplinären Zusammenarbeit profitieren können. Dabei denke ich vor allem an Reanimationskurse und andere Simulationen in unserem KISS.

Ein Nebeneffekt mit positiver Signalwirkung könnte hier sein, dass es ein niedrigschwelliges Angebot gibt, für all jene, die sich kein Vollzeitstudium vorstellen können.

Mit Blick auf den demografischen Wandel ist anzunehmen, dass wir in Zukunft ein großes Wachstum im Pflegebereich erwarten. Ein solches Wachstum verlangt nach Fachkräften.

Resümee:

Abschließend gesehen, kann es klug sein solch einen Pflegestudiengang einzuführen, da der Bedarf ja, wie bereits beschrieben durch den demographischen Wandel steigen wird. Folgt man dieser Maßgabe und bildet vorerst in dem Sektor verstärkt aus, wird sich allerdings kurzfristig nichts an den Zuständen der Pflege verbessern.

Nichtsdestotrotz wird sich auch mit Pflegespitzenkräften nicht von alleine die prekäre Gesamtsituation in der Pflege ändern. Es muss ein grundlegendes Umdenken der Pflegepolitik stattfinden, da wir diese Arbeit derzeit als Gesellschaft einfach nicht genug wertschätzen und nicht den nötigen Respekt zukommen lassen (im Sinne von Arbeitsbelastung, Bezahlung, Arbeitsbedingungen etc.)

Eine wichtige Frage drängt sich  auf, wenn man über den Status der künftigen Studierenden nachdenkt:

Zu welchen Veranstaltungen sind die Studierenden im Studiengang B. Sc. Klinische Pflege zugelassen? Können sie beispielsweise Vorlesungen oder Praktika des Studiengangs Humanmedizin besuchen?

Severin Krüger, 26 Vorsitzender d. Jugend-und Auszubildendenvertretung UK Köln sieht das ganze differenzierter:

Beide Seiten vertreten gute Argumente, jedoch muss hier noch einiges ergänzt werden; der Personalmangel im deutschen Gesundheitssystem ist Fakt, dies haben Studien der deutschen Krankenkassen, sowie der Gewerkschaft Ver.di gezeigt. Um diesen Personalmangel in der Pflege zu beseitigen braucht es eine gesetzliche Personalbemessung, die genau vorschreibt wie viele Pflegefachkräfte wie viele Patientinnen und Patienten versorgen sollen. Des Weiteren gibt es ein großes Problem in der Nachwuchsgewinnung und vor allem darin, junge Kolleginnen und Kollegen in der Pflege zu halten. Dies kann allerdings nur mit Entlastung geschehen, denn viele junge Pflegekräfte werfen nach 1-2 Jahren bereits das Handtuch und widmen sich dem Studium.  Ein duales Studium und akademisierte Pflegekräfte werden an der grundsätzlichen Misere des Gesundheitssystems wenig helfen, denn wenn eine Pflegekraft im Nachtdienst für 30 Patientinnen und Patienten alleine verantwortlich ist, ist es herzlich egal ob sie einen Bachelor oder ein normales Gesundheits-und Krankenpflegeexamen hat. Auch die niedrige Bezahlung der Pflegekräfte wird nicht allein durch einen Bachelor verbessert, hier muss die Pflege aufstehen, der Sozial- und Erziehungsdienststreik im Jahr 2015 hat gezeigt, dass mit genügend Einsatz hier etwas geschaffen werden kann, außerdem gibt es momentan keine genaue Eingruppierungsmöglichkeiten im Bereich der EG 11 o. 12 für studierte Pflegekräfte (Pflegekräfte kriegen je nach Tätigkeit EG 7-9). Grundsätzlich begrüße ich allerdings das Unterfangen der Uniklinik Köln sowie der Universität zu Köln, diese Art das duale Studium der Pflege zu gestalten halte ich für den richtigen Schritt (Uni+Krankenpflegeschule) dies ist an vielen anderen Standorten wo so ein duales Studium angeboten wird nicht der Fall, dort werden Kooperationsverträge mit z.T. privaten Fachhochschulen gebildet und z.T. müssen die Studierenden Gebühren zahlen. Auch finde ich es gut, dass es die Möglichkeit eines solchen Studiums gibt und ich gebe Julian Recht, dass es der Qualität der Pflege weiterhelfen kann wenn in der Pflege geforscht und akademisch gearbeitet wird.  Außerdem denke ich, dass sich mehr junge Leute für den Beruf interessieren werden, und es somit weitere Möglichkeiten geben wird Pflegekräfte zu gewinnen.  Also fasse ich zusammen, es ist auf jeden Fall gut , dass die Uniklinik und die Uni diesen Schritt geht, auch mit dem Hinblick darauf, dass die Medizinische Fakultät nun auch von Pflegeauszubildenden besucht wird. Einige grundsätzliche Probleme des Systems der Pflege wird es allerdings nicht verbessern.

Quelle: MedizinFotoKöln

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